Von Esther Peylo
Vor fast einem Jahr, am 23. August 2007, stellte Bundeskanzlerin Angela Merkel im Schloss Meseberg bei Berlin das eben aus der Taufe gehobene Energie- und Klimapaket gemeinsam mit ihren Ministerinnen und Ministern vor. Als Vorreiter in Sachen Klimaschutz wollte die Bundesregierung sich mit dem Integrierten Energie- und Klimaprogramm präsentieren.
Mindestens 35 Prozent Emissionsminderung sollten die vorgesehenen Maßnahmen in den Bereichen Energiewirtschaft, Gebäude, Verkehr und privater Verbrauch erreichen. (Geplant waren ursprünglich 40 Prozent.) So soll der Ausbau der erneuerbaren Energien zur Stromerzeugung durch die Novellierung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) bis 2020 zu einem Anteil von 25 bis 30 Prozent an Ökostrom führen. Geplant war ebenfalls, den Anteil der Kraft-Wärme-Kopplung, bei der gleichzeitig Strom und Wärme erzeugt und genutzt werden, durch entsprechende Förderung von ca. 12 auf 25 Prozent zu verdoppeln.
Auch der Austausch ineffizienter Heizkessel oder Energiesparmöglichkeiten für Verbraucher durch Standards für verbrauchsärmere Elektrogeräte gehören zu dem Klimaschutzpaket, ebenso die Maut-Bemessung für schwere Lastwagen über 12 Tonnen Gewicht nach Achszahl und Schadstoffausstoß. Die Meseberger Beschlüsse wollten ernst machen mit dem Klimaschutz.
Während Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) sich für die Klimaschutz-Maßnahmen in den folgenden zähen Verhandlungsrunden vor den Kabinetts- und Bundestagsbeschlüssen einsetzte – natürlich ging es um die Kosten und die gesetzlich verankerten Pflichten - , unkte Wirtschaftsminister Glos (CSU), die Belastungen für Industrie und Verbraucher seien zu hoch und eine längere Laufzeit für Atomkraftwerke eine günstige Alternative. Mit seiner Unterstützung ist es Lobbyverbänden gelungen, viele Maßnahmen zu stoppen oder auszubremsen.
Als der erste Teil des Klimapakets am 6. Juni 2008 im Bundestag abgestimmt und der zweite Teil am 18. Juni 2008 im Kabinett auf den Weg gebracht wurde, konnten viele der von SPD und Klimaschützern vertretenen Forderungen nicht durchgesetzt werden. So ist die Umstellung der Kfz-Steuer vom Hubraum auf den CO2-Ausstoß als Bemessungsgrundlage erstmal vom Tisch. Dicken, Spritfressenden Dienstwagen bleibt das „Privileg“ erhalten – warum sollte also ein Betrieb auf umweltfreundlichere Fahrzeuge umsteigen? Nachtspeicheröfen dürfen in Wohnungen bleiben und den Geldbeutel der Mieter schröpfen.
Besonders schwer wiegt das Ergebnis beim Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG), da auf Gebäude rund 40 Prozent des gesamten deutschen Energieverbrauchs entfällt und hier also das größte Potenzial zur Energieeinsparung und –effizienz liegt. Nur bei Neubauten müssen erneuerbare Energien genutzt und effiziente Heizsysteme eingebaut werden, die Besitzer von älteren Häusern sollen durch Marktanreizprogramme freiwillig zur energetischen Modernisierung animiert werden. Aber wie wirksam die freiwillige Selbstverpflichtung in der Realität dann ist, ist ja bekannt. Nachhaltiges Handeln braucht gesetzliche Verpflichtungen, viel zu lange wurden Umwelt und Ressourcen hemmungslos unter dem Motto „nach mir die Sintflut“ abgewirtschaftet.
Auch in Baden-Württemberg besteht kein Anlass dazu, sich zufrieden zurückzulehnen. Zwar hat die Landesregierung vor einem guten Jahr eine „Nachhaltigkeitsstrategie“ ausgerufen, die danach klingt, „Schöpfung bewahren“ zu wollen. Wie sie ihre hehren Ziele umsetzen will, verrät sie indes nicht: „Die Nachhaltigkeitsstrategie stärkt die gesellschaftliche und wirtschaftliche Innovationsfähigkeit und eröffnet eine langfristige Perspektive für die Menschen in Baden-Württemberg. Künftige Generationen sollen in einem wirtschaftlich attraktiven und lebenswerten Land mit einer intakten Umwelt und einer stabilen Gesellschaft leben“ (Jetzt den Morgen gestalten; 3. März 2007)
Ohne handfeste Maßnahmen für eine nachhaltige, klimaverträgliche und ressourcenschonende Energieversorgung bleiben diese Worte inhaltsleer. Die Landesregierung hat allerdings in den letzten 10-15 Jahren schon mehrfach Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Gestaltung einer zukunftsfähigen Energieversorgung angekündigt, ohne sichtbare Ergebnisse vorweisen zu können.
Die CO2-Emissionen des Landes verharren mit 76 Mio. t/a im Jahr 2005 auf einem konstant hohen Niveau. Vom ursprünglichen Ziel, bis zum Jahr 2010 den Kohlendioxidausstoß auf 65 Mio. t/a zu verringern, wurde im Klimaschutzkonzept 2010 der Landesregierung bereits Abstand genommen. Regelmäßig blieben die konkreten energiepolitischen Beschlüsse und Fördermaßnahmen deutlich hinter den von Experten als notwendig erachteten Maßnahmen zurück.
Die Glaubwürdigkeit energiepolitischer Aussagen hat im Land in den letzten Jahren deutlich abgenommen. Daran ändert auch das Projekt „Kommunaler Klimaschutz“ nichts, das als Ergebnis zwanzig oder dreißig „Best-Practice“ Beispielen zum kommunalen Klimaschutz in Baden-Württemberg noch einige weitere hinzufügt. Sinnvoll und nachhaltig wäre es, wenn die Landesregierung aus bereits bekannten und noch neu hinzukommenden Beispielen eine für alle Kommunen anwendbare und weitgehend verallgemeinerungsfähige Handlungsstrategie zu einem verstärkten Klimaschutz ableiten und ihre Durchsetzung durch sehr konkrete politische Vorgaben und Ausführungsbestimmungen sicherstellen würde. Das nötige Experten- und Verwaltungswissen ist vorhanden - und wo ein (politischer) Wille ist, ist auch ein Weg.
Auf Bundesebene ist die SPD glücklicherweise gewillt, sich für eine konsequente Umsetzung der Meseberger Beschlüsse einzusetzen. Bei den Kosten für den Klimaschutz kann Sigmar Gabriel auch den volkswirtschaftlichen Nutzen gegenrechnen und sich dabei auf die Ergebnisse einer Studie von Fraunhofer und PIK berufen, die das Umweltministerium in Auftrag gegeben hatte: Bei einer Umsetzung des Klimaprogramms müssten 2010 fünf Milliarden Euro weniger für Öl- und Gasimporte ausgegeben werden. Bis 2020 würden 500.000 neue Arbeitsplätze entstehen. Jährlich würden 170 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden, die gegenüber 1990 eine Emissionsminderung von 34 Prozent bedeuteten (gegenüber 2007 von 14,2 Prozent).
Noch haben wir die Möglichkeit, an der Bewahrung der Schöpfung politisch mitzuwirken. Je länger wir zögern, desto teurer und schwieriger wird der Klimaschutz.
Esther Peylo,
im August 2008